„Angeklagt: Der Papst“ "Die Verantwortlichkeit des Vatikans für Menschenrechtsverletzungen" Deutsche Erstausgabe von "The Case of the Pope", das brisante Buch des prominenten britischen Kronanwalts und international tätigen Anwalts für Menschenrechte, Geoffrey Robertson. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden, konservativ geschätzt, mehr als 100.000 Kinder, hauptsächlich Jungen, von katholischen Priestern vergewaltigt oder sexuell misshandelt – ohne dass sie dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Für den Autor – er wurde 2008 in den Internal Justice Council der Vereinten Nationen gewählt – ein Skandal: „Ich war empört darüber, dass das nicht als grausames Menschenrechtsverbrechen behandelt und der Vatikan nicht verurteilt wurde wegen der Strategien, mit denen diese Verbrechen aktiv vertuscht wurden. Ich hege keine Feindseligkeiten gegen die katholische Kirche oder eine bestimmte säkulare Richtung – viele meiner Freunde sind Katholiken. Aber die Täter kamen ungestraft davon mit dem „Seelenmord“, der für viele Menschen die Folge davon ist, dass sie in jungen Jahren von Priestern vergewaltigt wurden. Deshalb habe ich das Buch geschrieben.“ In „Angeklagt: Der Papst“ geht Robertson der Frage nach, wie die Sexualverbrechen, begangen von katholischen Priestern, so lange verborgen bleiben konnten: Ist der Papst moralisch oder rechtlich verantwortlich für ein System, das es möglich machte, dass so viele entsetzliche Verbrechen ungeahndet bleiben? Sollen er und sein Sitz der Macht, der Heilige Stuhl, weiterhin die Immunität genießen, die sie über das Gesetz stellt? Robertson gibt auch zu bedenken: Solange sich Papst Benedikt XVI nicht von der Schimäre staatlicher Immunität und von dem veralteten kanonischen Recht lösen kann, bleibt der Vatikan ein mächtiger Feind des Fortschritts der Menschenrechte. |
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400 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-89201-334-1 |
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Pressestimmen: WDR5, Köln: Die direkte argumentative Sprache macht es spannend zu lesen. Wer sich Robertsons provozierendem Gedankenspiel eines Papstes vor Gericht stellt, findet in dem Buch eine starke Argumentation, eben eine, wie man sie von einem guten Anwalt erwarten darf. The Guardian, UK: Dieses Buch kombiniert moralische Passion mit stählerner juristischer Präzision, belebt durch gelegentliches Aufblitzen trockenen Humors. NewStatesman, UK: Geoffrey Robertsons brennende Anklage gegen klerikale Missbrauchstäter, den Vatikan und den derzeitigen Papst wird wahrscheinlich die meisten frommen Katholiken erzürnen... Ich fürchte, dass jene, die es am meisten nötig hätten am wenigsten geneigt sein werden, seiner Klage Gehör zu schenken. Independent, UK: Die Klage gegen Benedikt wird von dem bedeutsamsten Menschenrechtsanwalt in Großbritannien, Geoffrey Robertson, QC erhoben. Für Leser, die weniger vertraut sind mit dem Missbrauchsskandal wird es ein schockierender Augenöffner sein. Rezensionen: - Es ist allerhöchste Zeit für ein so mutiges Buch!! Mit klaren Fakten, denen die katholische Kirche nichts entgegenzusetzen hat, zeigt der bekannte Menschenrechtsanwalt Geoffrey Robertson QC auf, wie Josef Ratzinger verantwortlich ist für ein System der Vertuschung und Straffreiheit von pädophilen Priestern. Dieses Buch hat mich trotz seiner kühlen Sachlichkeit erschüttert und es ist spannend zu lesen. Wenn jetzt der Papst wegen der ans Licht der Öffentlichkeit kommenden Missbrauchsfälle betroffen tut, dann verwundert mich das schon sehr, da er seit 1981 über alles Bescheid wusste und es auch in der Hand hätte, die Kinder zu schützen und die Täter dem Staatsanwalt zu übergeben. (W.M.) - Unglaublich, wie sehr sich der Vatikan im 21. Jahrhundert noch über alle staatliche Gesetzgebung hinwegsetzen kann. Warum macht das Zivilrecht bis heute vor Sexualverbrechen von Priestern halt? In den Vereinigten Staaten ist dies nicht mehr möglich. Auch Irland strebt eine Änderung dieser Lage an. Und das "fortschrittliche" Deutschland? Ich bin froh und dankbar, dass ein mutiger Zeitgenosse die Verantwortlichkeit des Vatikans für Menschenrechtsverletzungen aus juristischer Sicht so fundiert aufgreift. (O.J.) - Nach kirchenkritischen Büchern habe ich bisher nie gegriffen, da meine eigenen unschönen Erfahrungen mit der kath. Kirche mich zum Austritt veranlassten, bestand für mich kein Bedarf in dieser Richtung. Doch das Buch "Angeklagt: Der Papst" begann mich zu interessieren. Wer solches wagt zu schreiben, muss sehr gut und fundiert recherchiert haben. Es liest sich leicht und spannend, auch wenn der Inhalt alles andere als leicht ist. Der Einblick in einen Staat, der im Grunde keiner ist und das ausgeklügelte, kanonische Rechtssystem, das dieser Staat für sich beansprucht, um Kinderschänder im Priestertalar zu schützen und zu decken, verschlägt einem die Sprache. Warum genießt der Papst Immunität, wenn er doch Stellvertreter Gottes ist, dürfte er das gar nicht nötig haben. Vor was muss er sich schützen, wenn er nur Gutes im Sinn hat? Das Wort von Jesus: "Die Blindenführer führen die Blinden und beide fallen in die Grube" verstehe ich immer besser. Ein großes Danke an Geoffrey Robertson, der den Mut hat aufzudecken, was die meisten Menschen nicht einmal ahnen. (F.I., Zürich) - Dass das ganze System der Kirche so faul ist, habe ich nicht gewusst. Das Buch: "Angeklagt: Der Papst" gibt einen Blick frei hinter die Mauern des Vatikans, der entsetzt! Gerade die hunderte und tausende Missbrauchsfälle decken das wahre Gesicht dieser Institution auf. Bisher hatte ich keine Ahnung, was das kanonische Recht beinhaltet: Mit diesem Rechtssystem schützt der Papst die Kinderschänder im Priesterkleid. Um die Opfer kümmert sich der Vatikan nicht - es sind unsere Kinder, unsere Zukunft! Dieses Buch öffnet einem die Augen, das müssten alle Katholiken lesen. Wer dann noch an einen "Heiligen Vater", einen "Stellvertreter Gottes auf Erden" glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen! (St.A., Kloten/Schweiz) - Ich bin einfach entsetzt über die dunklen Hintergründe des Vatikans. Wie lange noch sollen Verbrecher im Priesterkleid geschützt sein durch ein Rechtssystem, das sich über jeden demokratischen Rechtsstaat stellt und damit machen kann, was es will? - Dieses Buch muss unters Volk, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er solch einer Kirche angehören möchte. ( A.F.) |
Inhaltsangabe: 1. Lasset die Kindlein .....15 2. Die Sünden der Väter.....36 3. Das kanonische Recht .....84 4. Der Lateranvertrag .....120 5. Die Staatseigenschaft auf dem Prüfstand .....147 6. Der Heilige Stuhl und die Vereinten Nationen .....176 7. Die Kinderrechtskonvention .....203 8. Ein Fall für die Justiz? ...... 218 9. Verbrechen gegen die Menschlichkeit .....240 10. Kann man den Papst verklagen? ......269 11. Betrachtungen .....290 12. Epilog ..... 310 Anhang A: Ein Bischof im Zeugenstand ..... 331 Anhang B: Auszüge aus Crimen Sollicitationis .....347 Anhang C: Auszüge aus Sacramentorum sanctitatis tutela – Apostolisches Schreibenvon Kardinal Ratzinger (2001) .....357 Anhang D: de gravioribus delictis (Juli 2010) .....360 Bibliographie .....366 Fußnoten .....378 Der Autor Geoffrey Robertson ist einer der bekanntesten Menschenrechtsjuristen der Welt. Der 1946 in Sydney geborene Kronanwalt und Richter ist Gründer und Leiter der größten britischen Kanzlei für Menschenrechte (Doughty Street Chambers). Er war in zahlreichen Ländern der Welt an bedeutenden verfassungs-, straf- und völkerrechtlichen Gerichtsverfahren beteiligt. Er war der erste Präsident des UN-Kriegsverbrechertribunals für Sierra Leone und ist seit 2008 Mitglied des Internal Justice Council der UNO. Robertson leitete Missionen für Amnesty International und vertrat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Fall Pinochet. Zu den Büchern, die er geschrieben hat, gehören unter anderem das Standardwerk „Crimes Against Humanity: The Struggle for Global Justice,“ seine Erinnerungen mit dem Titel„The Justice Game“ und „The Tyrannicide Brief“, eine preisgekrönte Analyse des Prozesses gegen Charles I. Eine jüngst von ihm verfasste Untersuchung mit dem Titel „Inquiry into the Massacre of Political Prisoners in Iran“ ist im Internet abrufbar unter: http://www.iranrights.org/english/ document-1380.php |
anlässlich der deutschen Erstausgabe von
„The Case of the Pope. Vatican Accountability for Human Rights Abuse”,
erschienen 2010 bei Penguin Books Ltd, England:
„Angeklagt: Der Papst“
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Frage: Was hat Sie veranlasst, Ihr Buch „The Case of the Pope“ zu schreiben?
G. Robertson: Ich war einfach entsetzt über die Tatsache, dass im Lauf der letzten Jahrzehnte selbst bei konservativster Schätzung mehr als 100.000 kleine Kinder, hauptsächlich Jungen, von katholischen Priestern vergewaltigt oder brutal sexuell misshandelt wurden. Ich war empört darüber, dass das nicht als grausames Menschenrechtsverbrechen behandelt wurde und der Vatikan nicht verurteilt wurde wegen der Strategien, mit denen diese Verbrechen aktiv vertuscht wurden. Ich hege keine Feindseligkeiten gegen die katholische Kirche oder eine bestimmte säkulare Richtung – viele meiner Freunde sind Katholiken –, aber sie kamen ungestraft davon mit dem „Seelenmord“, der für viele Menschen die Folge davon ist, dass sie in jungen Jahren von Priestern vergewaltigt wurden. Deshalb habe ich das Buch geschrieben.
Frage: In „The Case of the Pope“ schildern Sie zahlreiche erschütternde Fälle von Kindsmissbrauch durch Kleriker. Wie erklären Sie sich, dass sich verhältnismäßig viele Priester an Kindern vergehen?
G. Robertson: Meine Erklärung dafür ist recht einfach. Es liegt an der Macht, die die katholische Kirche in die Hände der Priester legt - instabile oder sexuell verklemmte Männer und auch Pädophile –, indem sie Kinder dazu zwingt, mit sieben Jahren zur Erstkommunion und zur ersten Beichte zu gehen. Man lehrt sie, den Priester als Vertreter Gottes zu verehren, der nichts Unrechtes tun kann und dem man unerschrocken gehorchen muss, egal wie brutal oder pervers seine Forderungen sind. Es ist diese furchteinflößende Macht über die ganz Kleinen, ausgeübt unter dem kanonischen Siegel der Verschwiegenheit, welche opportunistische Priester dazu bringt, Gelegenheiten zum Missbrauch von Kindern auszunützen.
Frage: Erst in jüngster Zeit wird das Ausmaß klerikaler Kinderschänderverbrechen in der Öffentlichkeit bekannt. Bezeichnend ist aber, dass es nie die Kirchenoberen waren, die nach Hilfe und Gerechtigkeit für die missbrauchten Kinder gesucht haben – sie haben im Gegenteil alles getan, um den Missbrauch in ihren eigenen Reihen herunterzuspielen und zu vertuschen. Warum, glauben Sie, ist das so?
G. Robertson: Der Grund für die die enorme Unehrlichkeit und Scheinheiligkeit, die vom Vatikan und einigen seiner Bischöfe an den Tag gelegt wird, liegt darin, dass man um jeden Preis den Ruf der Kirche schützen will – selbst um den Preis, dass man einen Pädophilen schützt und ihm Gelegenheit gibt, noch mehr Kinder zu vergewaltigen. Es geht um den Schutz des Rufs und natürlich auch der Finanzen der Kirche, die man ansonsten für Prozesskosten hätte ausgeben müssen.
Frage: Ihr Buch ist bahnbrechend insofern, als Sie sehr ausführlich herausgearbeitet haben, dass letztlich der Vatikan, also der Papst, ein Vertuschungssystem installiert sowie eine Fluchtroute für pädophile Priester konzipiert und geleitet hat. Können Sie kurz beschreiben, wie dieses Vertuschungssystem funktionierte und welche Rolle dabei der Vatikan bzw. der Papst spielte?
G. Robertson: Ja, ich glaube, in meinem Buch wird erstmals festgestellt, dass der Mechanismus für diese Vertuschungen das kanonische Recht ist, das vom Papst erlassen und vom Vatikan umgesetzt wird. Es wirkt so harmlos, „kanonisches Recht“, und größtenteils ist es das auch – es geht um Themen wie Häresie und Blasphemie, um die in allen Kulten und Religionen gerungen wird. Es ist kein echtes Recht und völlig ungeeignet, um über strafrechtliche Schuld oder Unschuld in Bezug auf mutmaßlichen Sex mit Kindern zu entscheiden. Im kanonischen Recht gibt es keine Polizei für Ermittlungen und keine Bestrafung, um Täter abzuschrecken. Es ist zugunsten der Priester manipuliert, und selbst wenn sie für schuldig befunden werden, müssen sie in der Regel nur ein paar Monate lang täglich ein paar „Ave Marias“ aufsagen. Da für das kanonische Recht absolute Geheimhaltung gilt, erfährt die Polizei nie etwas von diesen pädophilen Priestern, und häufig werden sie erneut straffällig. Das kanonische Recht ist das Recht des Vatikans und wird vom Papst bestimmt. Benedikt verweigert eine Änderung dahingehend, dass die Bischöfe zu einer Anzeige ihrer aus der Rolle fallenden Priester bei der Polizei verpflichtet würden. Das ist seine schwerste Sünde – heute werden Kinder vergewaltigt, weil er sich weigert zu handeln. Sein Verhalten, seine Ablehnung einer Änderung des Kirchenrechts, ist skandalös und zeigt, dass es ihm an echter Humanität mangelt.
Frage: Während der Zeit, als Papst Benedikt noch Kardinal Ratzinger war und Leiter der Glaubenskongregation, mussten ihm sämtliche Fälle von Kindsmissbrauch durch Kleriker gemeldet werden. Mittlerweile erklärt der Papst in der Öffentlichkeit, er fordere die lückenlose Aufklärung aller Missbrauchsfälle. Hat er denn selbst die Fälle aufgedeckt, die ihm aus seiner Zeit als Leiter der Glaubenskongregation gemeldet wurden? Ist Ihnen darüber etwas bekannt?
G. Robertson: Ich fürchte, man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Kirche ihre Priester maßregelt. Die Beweise dafür, dass die Kirche deren Verbrechen gegen Kinder vertuscht, sind zu überzeugend und stammen aus zu vielen Quellen, als dass man anderer Ansicht sein könnte. Es gibt sehr gute Menschen in der katholischen Kirche, die ehrlich sind und die Versäumnisse des Vatikans zutiefst bedauern. Einige haben Kontakt mit mir aufgenommen, um mich in meiner Argumentation zu unterstützen. In Großbritannien beispielsweise sind die Bischöfe kürzlich von sich aus aktiv geworden mit dem Versuch, den Griff des kanonischen Rechts zu lockern, aber sie stoßen auf Widerstand bei den Priestern, die sich daran festklammern und glauben, es stehe ihnen zu.
Frage: Nach Bekanntwerden einer Reihe schwerwiegender Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker hier in Deutschland wurden Beratungsstellen und auch Telefon-Hotlines eingerichtet – diese werden in der Regel allerdings von den Kirchen selbst unterhalten. Und die Kirchen sind auch mit der Aufklärung der Missbrauchsfälle betraut. Ist das nicht ein bisschen so, als würde man den Bock zum Gärtner machen? Es könnte auch der Verdacht aufkommen, dass die Kirche auf diese Weise wieder sehr viel vertuschen kann – wie sehen Sie das?
Man bekommt manchmal den Eindruck, als würden die Menschen jetzt denken: Das ist alles schrecklich, aber jetzt ist es ja aufgekommen, damit ist doch die Gefahr gebannt. – Sehen Sie das auch so? Wird der Missbrauch von Kindern durch Priester deswegen jetzt plötzlich aufhören? Und wird die Vertuschung aufhören?
G. Robertson: Das ist eine gute Frage, aber es wäre selbstgefällig, zu glauben, dass die Aufdeckung allein schon ein Aufhören bewirken würde. Natürlich geht das weiter, und es wird weitergehen, so lange das kanonische Recht bestimmt, wie mit diesen Fällen umgegangen wird. Uns liegen jetzt Beweise aus Irland vor, die zeigen, dass noch 2009 – also nach Aufdeckung des Skandals – pädophile Priester vor der Polizei versteckt wurden. So lange Priester Macht über siebenjährige Kinder bekommen, wird das kanonische Recht es zulassen, dass deren Vertrauen missbraucht wird. Andere verantwortungsbewusste Religionen sehen eine Kommunion oder Initiations- bzw. Aufnahmezeremonien erst für 14-Jährige vor.
Frage: Nachdem die Welle der aufgedeckten Missbrauchsfälle gar nicht mehr aufgehalten werden konnte, hat die Kirche auf den Druck seitens der Öffentlichkeit reagiert und neue Richtlinien für die Behandlung von Missbrauchsfällen erlassen. Was hat sich dadurch geändert, und ist jetzt alles weitgehend gelöst? Können die Menschen jetzt unbesorgt sein?
G. Robertson: Ich habe die neuen Richtlinien in einem Epilog erläutert, den ich eigens für die Herausgeber der deutschen Fassung meines Buchs geschrieben habe. Die neuen Richtlinien stellen sicher eine Verbesserung dar und sind der Tatsache zu verdanken, dass man den Kindsmissbrauchsskandal mittlerweile zu Recht als grausames Menschenrechtsverbrechen einstuft. Aber sie gehen noch längst nicht weit genug. Sie befassen sich nicht mit der Geheimhaltung im kanonischen Recht oder der Frage, warum das kanonische Recht immer noch eine Anzeige pädophiler Priester bei der Polizei verhindert. Und die neuen Richtlinien ändern auch nichts an dem viel zu frühen Alter, in dem man Kinder dazu bringt, Priester als Vertreter Gottes anzusehen.
Frage: Man hat sich an den Gedanken gewöhnt, der Vatikan sei ein Staat – Sie haben in Ihrem Buch präzise ausgeführt, was es damit wirklich auf sich hat. Können Sie das für unsere Zuschauer kurz erklären?
G. Robertson: Ja, gerne. Der Vatikan war einmal ein europäischer Staat – der Kirchenstaat mit ausgedehnten Ländereien rings um Rom. Doch dieser Staat wurde mit der Vereinigung Italiens 1870 ausgelöscht und der Papst blieb von da ab auf den Vatikanpalast beschränkt. In den 20er Jahren jedoch, als mit Pius XI. ein zutiefst pro-faschistischer Papst im Amt war, sah Mussolini die Chance, seinen Segen für die Abschaffung der Demokratie in Italien zu bekommen. Man handelte also den Lateranvertrag aus, durch den Italien – und zwar ausschließlich Italien – den Vatikan als „Staat“ etablierte. Das ist objektiv wie juristisch betrachtet lächerlich. Der Vatikan hat keine Bevölkerung – es gibt keine „Vatikaner“. Niemand wird dort geboren, höchstens aus Zufall. Es handelt sich lediglich um einen Palast und ein Museum. Doch einige katholische Länder in Lateinamerika taten, was der Papst wollte, und behandelten ihn als Staat mit entsprechender Akkreditierung von Botschaftern. Auch die USA taten das 1984, als Belohnung von Präsident Reagan an Johannes Paul II. für seinen Kampf gegen den Kommunismus. Obwohl also die meisten Länder diplomatische Beziehungen zum Vatikan unterhalten, ist er in Wahrheit lediglich eine Religion oder bestenfalls eine religiöse Enklave im Stadtgebiet von Rom.
Frage: Papst Benedikt plant seinen Besuch in Deutschland im September. Bei der Gelegenheit will er auch vor dem Deutschen Bundestag sprechen. Wie sehen Sie es, dass in einem demokratischen Staat, der zur (religiösen) Neutralität verpflichtet ist, ein Religionsführer vor dem Bundestag spricht, allerdings angeblich in der Eigenschaft als Oberhaupt eines Staates?
G. Robertson: Daran zeigt sich beispielhaft der Unsinn, der dabei herauskommt, wenn man so tut, als wäre der Vatikan ein Staat. Was der Deutsche Bundestag hier – im Widerspruch zum Grundgesetz – tut, ist die Bevorzugung einer bestimmten Religion, indem deren Führer einen Sonderstatus erhält, der anderen religiösen Führern vorenthalten wird. Das ist eindeutig diskriminierend.
Frage: In USA und in Belgien läuft eine Klage gegen den Papst wegen Vertuschung von Kindsmissbrauch, auch in Den Haag ist eine Klage eingereicht. Wie ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass Joseph Ratzinger vor dem Deutschen Bundestag sprechen darf?
G. Robertson: Auf der einen Seite ist Ratzinger ein sehr prominenter Deutscher, der als bedeutender Theologe gilt und nun eine Position mit großer Machtfülle bekleidet. Aber er ist auch verantwortlich für das Hinwegsehen über vielfache Vergewaltigungen und Schändungen vieler Tausender von Kindern und dafür, dass viele der Täter einer echten Bestrafung für ihre abscheulichen Verbrechen entgehen konnten. Vielleicht werden einige Opfer ihn bei seiner Einreise nach Deutschland mit einer Schadenersatzklage empfangen – zweifellos haben seine Fahrlässigkeit und sein mangelndes Interesse an einer Ausrottung des Kindsmissbrauchs während seiner Zeit an der Spitze der Glaubenskongregation ihren Teil zum Skandal in seiner Kirche beigetragen.
Frage: Noch einmal zurück zu dem Missbrauch von Kindern durch Priester. Selbst wenn ein Priester des sexuellen Missbrauchs angeklagt und überführt wird, dann findet das Opfer in der Regel keine Gerechtigkeit. Das Leben der Opfer ist durch den Missbrauch oft völlig zerstört – sie werden oft arbeitslos, weil sie aufgrund des nicht aufgearbeiteten Traums nicht leistungsfähig sind; Familien zerbrechen, weil es den Opfern unmöglich gemacht wurde, eine normale Beziehung einzugehen; sie bleiben oft ein Leben lang seelisch zerstört, langjährige Therapien wären nötig, und, und, und. Aber sie gehen in der Regel leer aus. Die missbrauchenden Priester aber werden selten bestraft – sie behalten meist ihre gut bezahlte Stellung, sie erhalten langjährige Therapie (hier in Deutschland letztlich auf Staatskosten). Man hat das Gefühl, die Täter werden umsorgt – die Opfer bleiben im Regen stehen. Was sagen Sie als Anwalt für Menschenrechte zu diesem krassen Ungleichgewicht?
G. Robertson: Das ist einer der Gründe, warum ich „The Case of The Pope“ geschrieben habe – um meine Meinung als Menschenrechtsanwalt zu dieser geduldeten Grausamkeit zu sagen. Warum sollte man der Kirche das durchgehen lassen? Warum sollten ihre Priester straffrei bleiben, wenn sie doch verantwortlich waren für die Zerstörung so vieler Persönlichkeiten und die Heimsuchung so vieler Menschen, die sich als Erwachsene nicht mit Gott arrangieren können aufgrund dessen, was ihnen von perversen Priestern angetan wurde?
Frage: Sie haben für Ihr Buch sehr viele Fakten recherchiert und zusammengetragen, mit denen Sie Punkt für Punkt die Verantwortlichkeit des Vatikans für die Missbrauchsverbrechen von Priestern an Tausenden von Kindern beweisen. Glauben Sie, dass nun die Zeit gekommen ist, in der die Menschen (und Regierungen) – wie Irlands Ministerpräsident Enda Kenny sagt – „sich nicht länger der katholischen Macht fügen“ und endlich die Gerechtigkeit zum Zuge kommen wird, wenn keinem Menschen mehr gestattet wird, sich über das Gesetz zu stellen?
G. Robertson: Ich sehe nicht, wie man Vertrauen setzen kann in den Vatikan – eine unverantwortliche Organisation, die als pädophil bekannte Priester in arglose Gemeinden im Ausland versetzt hat. Er deckt nach wie vor Kriminelle, indem er darauf beharrt, dass gegen sie unter kanonischer Geheimhaltung ermittelt wird, indem er sich weigert, die Schuldigen zu laisieren oder zu bestrafen und dadurch, dass nicht einmal geständige Kindesvergewaltiger der Polizei übergeben werden. Ich stimmte dem Premierminister von Irland zu – der Papst darf nicht über dem Gesetz stehen.
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